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6. Die Einheit von wissenschaftlicher Erforschung und Demut des Herzens

Der Einheit von Menschenwort und Gotteswort, bzw. der Einheit von Menschlichkeit, Geschichtlichkeit und Inspiration angemessen ist eine wissenschaftliche Erforschung der Heiligen Schrift, die in uneingeschränkter Offenheit sich müht, sowohl die Menschlichkeit, als auch die Göttlichkeit der Bibel zu erkennen, soweit beides eben erkennbar ist. Zur Bibel paßt nur eine Arbeit, die nicht mit einer von ganz anderen, ihr fremden oder gar gegensätzlichen Denkvoraussetzungen diktierten Methodik an sie herantritt.

Aus der Begegnung mit Gott resultierendes Vertrauen, das persönlich betrifft, und die Anerkennung einer formalen Autorität der Schrift schließen einander nicht aus. Im Blick auf die Basis des Glaubens sind das Vertrauen zu Jesus Christus und die Akzeptanz der Offenbarungsqualität der Schrift keine Alternativen. Beides läßt sich nicht voneinander trennen.

Wenn uneingeschränktes Vertrauen der Grundvorgang zwischen Mensch und Gott ist, dann steht methodische Mißtrauen in deutlichem Gegensatz zur Vertrauensbemühung der Offenbarung. Und das um so mehr, als die Schrift selbst nirgends dazu anleitet, Schrift mit Schrift abzulehnen. Sachkritik ist keine Auslegung mehr, weil sie die Aussagerichtung und den spezifischen Zweck eines Bibeltextes verändert. Wenn das Rederecht dessen, was als Offenbarung begegnet, aus prinzipiellen Gründen von vornherein eingeschränkt wird, muß aus der Begegnung automatisch eine Entgegnung werden.

Weil Gottes Handeln, durch das er seinen auf Erlösung und Vollendung zielenden Heilswillen verwirklicht, unausgrenzbar in die Gesamtgeschichte hineinverflochten ist, darum empfiehlt sich eine heilsgeschichtliche Auslegung der Schrift. So wie die Geschichte fortschreitet, schreitet auch die Offenbarung fort. Dabei sagt Gott in den verschiedenen Ordnungen der Heilsgeschichte nicht immer dasselbe. Er läßt eine Epoche wachstümlich aus der anderen hervorgehen. Heilsgeschichtliche Schriftauslegung ist historische Auslegung. Göttliche Inspiration schließt recht verstandene historische Forschung nämlich nicht aus, sondern verlangt geradezu nach ihr.

Heilsgeschichte Schriftauslegung liest biblische Texte nicht plan. Z.B. kann das vom AT nicht ins NT Übernommene als vom NT überholt betrachtet werden. Die Beachtung der Frage, wohin Texte der Bibel unterwegs sind, bzw. woher sie kommen, führt zu einer differenzierten Sicht, die biblische Texte jedoch nicht aussortiert, sondern in den Gesamtzusammenhang der Heilsgeschichte einordnet. Die Gewichtung von Texten erfolgt dabei nach innerbiblischen Maßstäben und nicht nach vorgefaßten und von außen an die Bibel herangetragenen Prinzipien. Ort und Zeit aller Schriftstellen können ernstgenommen werden. Der Ausleger muß nicht Schulmeister und Schiedsrichter für biblische Aussagen sein. Jeder biblische Autor kann sein vollständiges Rederecht behalten.