2. Die Einheit von Offenbarung und Zeugnis der Offenbarung
Der dynamische Ereignischarakter des Wortes Gottes, das geschieht, tendiert selbst, keineswegs in einer Erstarrung, sondern konsequent zu schriftlicher Fixierung, damit das flüchtig ausgesprochene Wort Dauer und Objektivität erhält. Die Offenbarung Gottes begegnet in zweierlei Gestalt: Jesus Christus ist das Menschenpersönlichkeit gewordene Wort Gottes, die individuelle Offenbarung Gottes innerhalb der Menschheit, das persönliche Wort Gottes. Und die Heilige Schrift ist das geschriebene Wort Gottes, die durch die Sprache vermittelte Wort - Offenbarung Gottes innerhalb der Menschheit. Gottes Wort geschieht nicht nur, es ist auch. Das Ineinander von verkündigter und geschriebener Gestalt der Offenbarung läßt es nicht zu, in der Bibel lediglich ein Zeugnis von der Offenbarung, die nur gebrochen in sie eingehen konnte, zu sehen, und das Eigentliche der Bibel hinter ihr zu suchen.
Was die Schrift sagt, sagt Gott. Was in den Worten der Schreiber zum Ausdruck kommt, ist genau das, was Gott in und durch die Schrift mitteilen will. Die Bibel als geschriebenes Wort ist in ihrer Ganzheit die von Gott gegebene Offenbarung. Die Gleichsetzung von Bibel und Wort Gottes darf jedoch nicht im Sinn einer umkehrbaren mathematischen Gleichung verstanden werden. Das Wort Gottes ist nicht die Bibel, denn Gottes Offenbarung ist umfassender als die Schrift. Aber die Bibel ist auch nicht nur ein Zeugnis der Offenbarung und wird auch nicht erst in der Begegnung und durch die menschliche Annahme zur Offenbarung. Die Bibel sagt, was Gott sagt. Eine fehlerhafte Bibel kann auch keine besonders beeindruckende personale Wahrheit mehr vermitteln. Und wenn die Bibel nur mehr menschlicher Bericht subjektiver Gotteserfahrungen sein darf, dann ist kaum mehr zu begründen, warum und in welcher Weise sie heute eine neue Begegnung mit Gott auslösen soll.